Georg, Friedrich: Verrat an der Ostfront
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Mehr als 70 Jahre sind seit dem Beginn des deutschen Präventivschlags gegen Stalin vergangen, aber es fehlen immer noch entscheidende Tatsachen. Warum dieses heikle Thema heute aufbrühen? Statt, wie geplant, in einem kurzen sechswöchigen Blitzkrieg ähnlich wie gegen Frankreich im Jahre 1940 entwickelte sich der Krieg im Osten zum schwersten und blutigsten Konflikt zwischen zwei Staaten in der ganzen Weltgeschichte. Zahllose Bücher, Filme und Darstellungen unterschiedlicher politischer Tendenz sind zu dem Thema erschienen. Man könnte deshalb der Meinung sein, daß es nichts Neues mehr hinzuzufügen gebe. Dies gilt zumindest so lange, bis man sich daran macht, zu untersuchen, was tatsächlich gesagt und nicht gesagt wurde. Geschichte ist immer anfällig für politische Manipulation. Gerade der Zweite Weltkrieg, der größtenteils unsere gegenwärtige Welt hervorbrachte, bietet besondere Verlockungen. Beim ›Unternehmen Barbarossa‹ stieß die Wehrmacht am 22. Juni 1941 mitten ins Herz der zum Angriff aufmarschierenden Roten Armee. Nur wenige Wochen später wäre es zu spät gewesen! Obwohl Stalin und Marschall Schukow längst über die Pläne ihres Gegners informiert waren, ließen sich die russischen Truppen von den materiell weit unterlegenen Deutschen fast völlig überraschen. In der Folge kam es zu einer Reihe von deutschen Siegen mit Kriegsbeute und Gefangenenzahlen, wie es sie in diesem astronomischen Ausmaß bis dahin noch nie gegeben hatte. Trotz merkwürdiger Vorkommnisse auf deutscher Seite, die den geplanten Blitzkrieg schon im August 1941 entgleisen ließen, schien es bis Oktober 1941 so weit zu sein, daß nicht nur Hitler, sondern auch maßgebende alliierte Regierungen und Militärexperten einen schnellen Zusammenbruch Rußlands erwarteten. Dennoch scheiterte die Wehrmacht nur Monate später im Winter vor Moskau auf katastrophale Weise und entging nur knapp dem Schicksal der Armee Napoleons. Genauso liefen auch im Jahre 1942 Deutschlands hoffnungsvolle Offensiven gegen den Kaukasus und Stalingrad ins Leere. Wieder wurde Rußland durch ›wundersame Fehler‹ der Deutschen vor dem Zusammenbruch bewahrt. Schließlich zeichnete sich nach dem Ende der 6. Armee in Stalingrad eine drohende Kriegswende ab. Ging aber auch hier alles mit richtigen Dingen zu? Lag also das Scheitern von Hitlers Plänen im Osten 1941-42 am Einbruch des Winters, an der Größe Rußlands und an der unzureichenden Motorisierung der Wehrmacht, oder steckte in Wirklichkeit etwas anderes hinter dem ›verlorenen Sieg‹? Tatsächlich kann anhand neuer Forschungen aufgedeckt werden, daß es in höchsten deutschen Dienststellen schon seit 1939 einen systematischen Verrat von allem gab, was mit der Sowjetunion zu tun hatte. Dieser Abfluß von Staatsgeheimnissen und ausgefeilte Sabotageakte von Drahtziehern in Schlüsselpositionen nahmen nach dem Beginn des Präventivschlages groteske Dimensionen an. Unzählige Wehrmachtbataillone bis hin zu ganzen Armeeverbänden gingen nichtsahnend in ihr Verderben.
Jahrzehnte nach dem Ende des wohl blutigsten Militärkonfliktes der Geschichte wird immer noch aus den unterschiedlichsten Motiven versucht, das Thema des Verrats an der Ostfront wie einen ›weißen Fleck‹ zu behandeln, über den weiter tunlichst geschwiegen werden soll. Es scheint deshalb nötig, objektiv und ohne Scheuklappen zu einem umfassenden Verständnis zu kommen, ob bei der deutschen Niederlage gegen Rußland Faktoren mitgespielt haben, die von der offiziellen Geschichtsschreibung der westlichen Welt bisher nicht angesprochen werden sollen. Die Wahrheit über die Vergangenheit kann aber nur durch den Konflikt von neuen Argumenten und alten Thesen durchgesetzt werden. Wie sollen wir unsere Vergangenheit verstehen, wenn sie uns vorenthalten wird? 448 S., Leinen, gebunden, SU, zahlr. Abb., Karten